Archiv des Autors: Kristina Wengorz

Henrik Tikkanen, Brändövägen 8 Brändö. Tel. 35

Der Finnland-Titel des Verbrecher Verlags:

Cover_Tikkanen_BrändövägenBrändövägen 8 Brändö. Tel. 35
Henrik Tikkanen
a. d. Schwedischen und mit einem Nachwort versehen v. Karl-Ludwig Wetzig
Leinen mit Leseband, 152 Seiten
Preis: 22,00 €
ISBN: 978-3-95732-014-8

„Brändövägen 8 Brändö. Tel. 35“ – ein Titel, der aus einer finnischen Adresse und einer Tele­fonnummer besteht, was sagt der schon? Brändö (finn. Kulosaari) ist eine kleine Insel im Stadtgebiet von Helsinki, die 1907 von reichen schwedischsprachigen Kaufmannsfamilien nach dem Vorbild englischer Gartenstädte als Villenvorort angelegt wurde, „für gebildete Schwe­disch sprechende Menschen aus gutem Haus und ohne finanzielle Sorgen”, wie es in Henrik Tikkanens Roman heißt.

„In echt finnlandschwedischem Geist hatte man sich in einer Festung eingeigelt und die zu­nehmend unappetitlichere Wirklichkeit ausgesperrt.“ Hier wächst der mit dem Autor identische Ich-Erzähler auf; Vater Architekt, Mutter Tochter eines Bonbonfabrikanten, Großvater Profes­sor für Kunstgeschichte. Der Roman erzählt „eine gruselige Geschichte über vorzeitigen Tod, Unheil, Unzucht und Schnaps“, wie bereits der erste Satz des Buches verspricht.

Henrik Tikkanen beweist dabei seine stilistische Prägnanz und seinen durch und durch grimmi­gen Witz. „Brändövägen 8 Brändö. Tel. 35“ ist ein Klassiker der schwedischsprachigen Litera­tur Finnlands, eine schonungslose Abrechnung mit der Oberschicht Helsinkis – und mit dem eigenen Leben.

Henrik Tikkanen, 1924 in Helsinki geboren, war in den 70er- und frühen 80er-Jahren einer der bekanntesten Karikaturisten Nordeuropas. Zugleich war er einer der renommiertesten Autoren Finnlands, seine „Adressbücher-Trilogie“ – „Brändövägen 8 Brändö. Tel. 35“ (1975), „Bävervägen 11 Hertonäs“ (1976) und „Mariegatan 26 Kronohagen“ (1977) – war ein großer Erfolg. 1963 heiratete er Märta Tikkanen, die Frauenrechtlerin und Vorkämpferin der Emanzipation in Finnland, die mit ihrem Buch „Wie vergewaltige ich einen Mann?“ auch in Deutschland einen großen Erfolg feierte. Das Ehepaar breitete sein bürgerliches Privatleben in mehreren Büchern aus, so stellte Märta ihren Mann etwa in dem Versroman „Liebesgeschichte des Jahrhunderts“ (1978) schonungslos als Trinker bloß, wofür er sich nach Kräften revanchierte. Märta punktete durch Offenheit, Direktheit und berechtigte Anklagen gegen die patriarchalen Verhältnisse, Henrik bestach durch seine Fähigkeit, fast aus jedem Satz einen blitzenden Aphorismus zu machen. 1984 starb Henrik Tikkanen in Helsinki an Leukämie.

Hans Schweikart, Es wird schon nicht so schlimm!

Die Lektorin hat das Programmbuch für die Badische Landesbühne (links) lektoriert – die Buchhandelsausgabe (rechts) erscheint im Verbrecher Verlag: Hans Schweikarts großartige, aber bislang unveröffentlichte Filmerzählung „Es wird schon nicht so schlimm!“ mit einem kenntnisreichen Nachwort von Wolfgang Jacobsen und Rolf Aurich.

Cover_Schweikart_Es wird schon nicht so schlimm!Es wird schon nicht so schlimm!
Hans Schweikart
Herausgegeben v. Carsten Ramm
Mit einem Nachwort von Rolf Aurich und Wolfgang Jacobsen
Broschur, 120 Seiten
Preis: 12,00 €
ISBN: 978-3-95732-063-6

Die Schauspielerin Lilly Hollmann und ihr Kollege Gregor Maurer werden Anfang 1933 ein Paar. Und das, obschon Lilly sich eigentlich für einen anderen interessiert – Maurer weiß davon. Dennoch heiraten sie, wachsen in der Ehe zusammen und bekommen ein Kind. Doch die Zeiten sind schwer – die jüdische Schauspielerin darf schon bald nicht mehr auftreten, ihr Mann dagegen macht Karriere. Die Nazis drängen den äußerst beliebten Schauspieler zur Scheidung, der aber will Lilly und seinen Sohn nicht verlassen, nicht der Verfolgung preisgeben …

Hans Schweikarts sehr bewegende Erzählung „Es wird schon nicht so schlimm!“ bildete die Grundlage für Kurt Maetzigs berühmten Film „Ehe im Schatten“ (DEFA 1947). Hintergrund des Textes war die Geschichte von Meta und Joachim Gottschalk, die 1941 Selbstmord begingen. Schweikart war mit dem Paar befreundet, was diese klar und genau erzählte Geschichte so berührend macht.

Sie wird hiermit erstmals veröffentlicht, und die Hintergründe werden von den beiden Filmwissenschaftlern Rolf Aurich und Wolfgang Jacobsen in einem ausführlichen Nachwort kenntnisreich dargelegt.

Britta Lange, Die Entdeckung Deutschlands

Ein neuer Filit-Band über einen Science-Fiction-Film aus dem Ersten Weltkrieg. Die Freude der Lektorin ist groß!

Cover_Lange_Die Entdeckung DeutschlandsDie Entdeckung Deutschlands. Science-Fiction als Propaganda
Britta Lange
Broschur, 112 Seiten mit Abbildungen
Preis: 14,00 €
ISBN: 9-783-95732-019-3

Im Ersten Weltkrieg wurde das Deutsche Reich von drei Marsianern besucht. Das zumindest inszeniert ein heute vergessener Film aus dem Jahr 1916: „Die Entdeckung Deutschlands durch die Marsbewohner“.

Dieser war nicht nur der erste offizielle Propagandafilm in der Kriegszeit für das Inland und das »neutrale Ausland«. Er ist zugleich ein sehr früher und bisher nicht kanonisierter Science-Fiction-Film: mit Nachrichtenabhörung auf dem Mars, Sprechschreiber und Weltraumflug, aber auch mit Einschüben, die an Märchen und Liebesfilme erinnern.

Das Buch geht dem Gewirr von Geschichten nach, das das Drehbuch des jüdischen Anwalts Richard Otto Frankfurter entfaltet. Fragmente aus den Archiven ergänzen den Band und bieten heute, fast einhundert Jahre später, einen Einblick in den Zusammenhang von Film und Propaganda.

Britta Lange (geboren 1973) forscht und lehrt am Institut für Kulturwissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin zu den Schwerpunkten Kulturgeschichte und Ästhetik des 19., 20. und 21. Jahrhunderts, Kolonialismus, Ton- und Filmdokumente, Erster Weltkrieg. »Die Entdeckung Deutschlands durch die Marsbewohner« hat sie bei ihren Recherchen über Tonaufnahmen aus dem Ersten Weltkrieg entdeckt.

Karsten Krampitz, Wasserstand und Tauchtiefe

Der erste Titel aus dem Herbstprogramm des Verbrecher Verlags, und die Lektorin hat auch ihn lektoriert:

Cover_Krampitz_Wasserstand_webWasserstand und Tauchtiefe
Karsten Krampitz
Hardcover, 208 Seiten
Preis: 19,00 €
ISBN: 9783957320131

In der DDR kannten die Menschen ein geflügeltes Wort: „Das interessiert mich so wenig wie die Wasserstandsmeldungen.“ Hieß es doch in den Radionachrichten nach dem Wetterbericht immer: „Abschließend die Wasserstände und Tauchtiefen: … Frankfurt/Oder 112 plus 5, Glugow 275 plus drei, Eisenhüttenstatt 237 plus drei …“

„Wasserstand und Tauchtiefe“ ist ein moderner Heimatroman aus der Endmoräne, ein Brandenburg-Opus, in dessen Mittelpunkt ein Vater-Sohn-Konflikt steht. Wir lesen von einer bizarren Geiselnahme, die sich über Monate hinzieht und von der Krankenkasse bezahlt wird. Mark Labitzke führt ein recht einseitiges Zwiegespräch mit seinem Vater, der nach mehreren Schlaganfällen sein Sprachvermögen verloren hat, nun muss er ihm endlich zuhören. Der einstige SED-Funktionär und Bürgermeister ist auf Pflege angewiesen und der Erzähler auf die Rente des Vaters. Zwei Männer – ein Konto.

„Wasserstand und Tauchtiefe“ sind die letzten Nachrichten aus einem untergegangenen Land. Der Roman handelt von der Sehnsucht nach einer Heimat, von den radikalen Veränderungen der heutigen Arbeitswelt und vom Pflegenotstand einer immer älter werdenden Gesellschaft.