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Erich Mühsam, Das seid ihr Hunde wert!

Bei den Tagebüchern von Erich Mühsam korrigiert die Lektorin ja höchstens mal den Klappentext. Sie freut sich umso mehr, für das Lektorat dieses wunderbaren Lesebuches zuständig gewesen zu sein. Und es ist so schön geworden!

Muehsam-Lesebuch_CoverErich Mühsam
Das seid ihr Hunde wert! Ein Lesebuch
Herausgegeben von Manja Präkels und Markus Liske
Broschur, 352 Seiten
Preis: 16,00 €
ISBN: 978-3-943167-84-9

Es ist nicht möglich, Leben und Werk Erich Mühsams zu trennen. Er war Bohemien, Dichter, Anarchist, Humorist, politischer Publizist, Dramatiker, bisexueller Erotomane, Revolutionär, selbst in größter Not unbeirrbarer Menschenfreund und schließlich eines der ersten prominenten Opfer der Nazis. 1933 wurde er noch in der Nacht des Reichstagsbrandes verhaftet und nach monatelanger Folter im KZ Oranienburg ermordet.

Aufgabe dieses Lesebuchs soll es sein, Mühsams lebenslangen Kampf »für Gerechtigkeit und Kultur« mit Texten aus seinem reichhaltigen Werk nachzuerzählen, die bis heute nichts an ihrer politischen Aktualität verloren haben. Neben einigen Mühsam-Klassikern enthält diese Sammlung auch bislang unveröffentlichte Gedichte, Auszüge aus längeren Werken, ausgewählte Briefe und die Beschreibung seiner letzten Tage aus der Feder seiner Frau Zenzl.

Erich Mühsam, geboren am 6. April 1878 in Berlin, war ein Dichter und politischer Publizist. Seit 1909 lebte er in München-Schwabing. Als Zentralfigur der Schwabinger Bohème war er befreundet mit Heinrich Mann, Frank Wedekind, Lion Feuchtwanger, Fanny zu Reventlow und vielen anderen.
Mühsam war Mitarbeiter des Münchner Kabaretts und verschiedener satirischer Zeitschriften wie des Simplicissimus und der Jugend. Von 1911 bis 1919 gab Erich Mühsam in München die Zeitschrift Kain heraus.
Er war maßgeblich an der Ausrufung der Münchner Räterepublik beteiligt, wofür er zu 15 Jahren Festungshaft verurteilt wurde. Als Sonderheft seiner Zeitschrift Fanal erschien 1932 kurz vor der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten seine programmatische Schrift Die Befreiung der Gesellschaft vom Staat, mit dem Untertitel Was ist kommunistischer Anarchismus? versehen.
1933 wurde er verhaftet und am 10. Juli 1934 im KZ Oranienburg von der SS-Wachmannschaft ermordet.

Ein Jahr Lektorat Wengorz

Zeit für ein neues Bild:

Bücher 2014Produktiv war das erste Jahr der Selbstständigkeit. So kann es weitergehen.

Die Lektorin bedankt sich recht herzlich bei allen, die sie mit Aufträgen bedacht haben, für die gute Zusammenarbeit!

Chaim Noll, Die Synagoge

Endlich ist der neue Roman von Chaim Noll da. Die zweite Zusammenarbeit der Lektorin mit diesem wunderbaren Autor!

Cover_Noll_Die SynagogeDie Synagoge
Chaim Noll
Leinen mit Lesebändchen
448 Seiten
Preis: 29,00 €
ISBN: 978-3-943167-77-1

Ein kleiner Ort mitten in der israelischen Wüste während der zweiten Intifada – hier stehen am Rand eines großen Kraters das Grab eines berühmten Politikers, mehrere wissenschaftliche Institute für Solarenergie und Wüstenforschung, eine Highschool sowie eine Militärbasis. Die Menschen, die hier leben, sind überwiegend Akademiker oder Verwaltungsangestellte – Juden und Christen aus aller Welt, die ihre Häuser mit Hilfe von Arbeitskräften aus den Palästinensergebieten bauen und erhalten oder die Traditionen der Beduinenstämme erforschen. Religion spielt in dem Leben der meisten von ihnen nur eine nachgeordnete Rolle.

Im Zentrum des Romans steht die prachtvolle, doch meist leere Synagoge des Ortes. Nur einige wenige, wie die Deutschen Abi und Livia – er Schriftsteller und Journalist, sie Malerin – oder der russischstämmige Paul aus England, dessen Mutter vor Kurzem gestorben ist, suchen hier Halt und Trost. Anderen aus der Nachbarschaft ist sie eher ein Dorn im Auge, so auch Holly, einem radikalen Veganer und Wehrdienstverweigerer, der nach einer langen Europareise mit Depressionen und Aggressionsschüben zu kämpfen hat …

Für Chaim Nolls neuen großen Roman gilt, was die taz über seinen Erzählungsband »Kolja« schrieb: Noll »zeichnet damit ganz unaufgeregt ein aufregendes und vielschichtiges Porträt der israelischen Gegenwartsgesellschaft – mit überraschenden Konfliktlinien jenseits der sattsam bekannten Stereotype. Und viel Raum für Hoffnung.«

Chaim Noll wurde 1954 in Ostberlin geboren. Sein Vater ist der Schriftsteller Dieter Noll. Er verweigerte den Wehrdienst in der DDR. 1983 reiste er nach Westberlin aus, 1991 verließ er mit seiner Familie Deutschland und lebte in Rom. Seit 1995 lebt er in Israel.

Veröffentlichungen, u. a.: „Der Abschied“ (1985), „Unheimliche Tage“ (1987), „Berliner Scharade“ (1987), „Der goldene Löffel“ (1989, wieder Verbrecher Verlag 2009), „Nachtgedanken über Deutschland“ (1992), „Taube und Stern. Roma Hebraica. Eine Spurensuche“ (1994), „Die Wüste lächelt“ (2001), „Meine Sprache wohnt woanders. Gedanken zu Deutschland und Israel“ (mit Lea Fleischmann, 2006). Im Verbrecher Verlag erschienen die Romane „Der Kitharaspieler“ (2008) und „Feuer“ (2010) sowie der Erzählungsband „Kolja. Geschichten aus Israel“ (2012).

Neuerscheinungen zur Buchmesse

Zur Leipziger Buchmesse trudeln gleich drei Neuerscheinungen auf einmal im Verbrecher Verlag ein, an denen die Lektorin die letzten Monate gearbeitet hat. Und: Eine ist schöner als die andere!

  • Das Buch mit dem schönsten Cover und den schönsten Bildern ist sicher die Graphic Novel von Dietmar Dath und Oliver Scheibler. Außerdem ist es Dietmar Dath:

Cover_Dath_Scheibler_Mensch wie GrasMensch wie Gras wie
Dietmar Dath / Oliver Scheibler
Hardcover
Preis: 24,00 €
ISBN: 978-3-943167-76-4

»Mensch wie Gras wie« ist eine Graphic Novel über Forschung, Technik, Geld und Liebe. Die Biologin Elin Elwert arbeitet an gentechnisch veränderten Pflanzen und anderen Organismen – eine fundamentale Umwälzung der Nahrungsmittel- und Pharmaindustrie steht bevor. Elin lebt mit dem Bioinformatiker Thomas Schäfer zusammen – seelisch und körperlich aber gelingt es ihr nicht, die ältere, sehr komplizierte Beziehung zu Martin/Martina Riede loszulassen – eine Liebe, die sich nicht in die emotionalen und erotischen Standards einpassen lässt, die in Elins Arbeits- und sonstigem Lebensumfeld gelten.

Im Laufe der Handlung, die sich wie ein Puzzle aus Erinnerungen und intensiven Erlebnissen zusammensetzt, kollabiert die Sehnsucht nach einem anderen Leben als dem vorgefertigten: In einem Szenario, das den direkten Eingriff von Geld und Macht ins Lebendige als eine Katastrophe zeigt, die auch das Geld und die Macht nicht stabil kontrollieren können – und in der unerwartete Durchgänge in etwas anderes, etwas Unvorhergesehenes zu finden sind. Die Geschichte wird nicht als abstrakte, spekulative Anklage des Vorhandenen erzählt, sondern in visueller Traumschau, in Sprüngen, Trips, Schocks und Rätseln.

Im Anhang erzählt Dietmar Dath von der Verwandlung des Erzählens durch das praktische Zusammendenken von Bildern und Worten – ein persönlicher Bericht von den Überraschungen und dem Lernen beim Arbeiten an der Form »Comic«, wenn sie nicht einfach als Illustrationsverfahren, sondern als eigenständige Herausforderung an Schreiben, Denken und Empfinden ernst genommen wird.

  • Das Buch, das während der Arbeit der Lektorin die stärkste Veränderung erfahren hat, ist die komplette Überarbeitung des Debütromans von Benjamin Stein. Da ist die Lektorin wirklich stolz drauf.

Cover_Stein_Alphabet_220pxDas Alphabet des Rabbi Löw
Benjamin Stein
Leinen mit Lesebändchen, ca. 280 Seiten
Preis: 24,00 €
ISBN: 978-3-943167-79-5

Ein junger Mann trifft in seinem Stammlokal in Berlin-Kreuzberg einen Unbekannten, der sich ihm als ungewöhnliches Geburtstagsgeschenk für seine Frau aufdrängt: Jeden Dienstagabend wird er bei ihnen vorbeikommen und ihnen eine Geschichte in Fortsetzungen erzählen – Bezahlung: eine Flasche Wodka. Mit seinen wundersamen Geschichten entführt er seine Zuhörer von Berlin nach Prag und Budapest und durch das gesamte 20. Jahrhundert. In ihnen geht es um himmlische Paläste und unterirdische Städte, um Engel und Propheten, es wird geliebt, gehasst, verflucht, gestorben und gemordet. Während die Männer noch nach Liebe oder Erkenntnis suchen, haben die Frauen bereits gewählt – und bleiben am Ende doch allein. Und im Hintergrund zieht der Hohe Rabbi Löw von Prag samt Golem die Strippen und führt Regie.

Benjamin Stein verknüpft geschickt die einzelnen Stränge der verzweigten Geschichte und führt uns ein in die Welt des Erzählens und der Buchstaben, auf denen die Welt beruht – bis Wirklichkeit und Erzählung nicht mehr zu unterscheiden sind.

Mit »Das Alphabet des Rabbi Löw« liegt jetzt eine Komplettüberarbeitung des Debütromans von Benjamin Stein vor. Die Sprache ist dichter geworden, die Handlung klarer – ein großartiges Leseerlebnis.

  • Das amüsanteste Buch, das die Lektorin wirklich jedem empfehlen kann, ist der wunderbare neue Roman von Sarah Schmidt:

Cover_Schmidt_Eine TonneEine Tonne für Frau Scholz
Sarah Schmidt
Hardcover, 220 Seiten
Preis: 19,00 €
ISBN: 978-3-943167-78-8

Nina Krone wohnt im letzten unsanierten Mietshaus der Gegend, klar, dass man hier noch mit Kohle heizt. Und keiner der Nachbarn ist unter 50 Jahre alt. Eines Tages kann sie es nicht mehr ertragen, das Leiden an der Welt, das ihre Nachbarin, Frau Scholz, vor sich herträgt. Um ihr demonstratives Schnaufen beim Kohleschleppen nicht mehr mit ansehen zu müssen, beginnt sie damit, ihr jeden Tag einen Eimer Briketts vor die Tür zu stellen. Das freut Frau Scholz zuerst gar nicht, doch dadurch kommen sie ins Gespräch …

Auch Nina hat ihr Päckchen zu tragen: Ihre Arbeit frustriert sie, ihr Chef wird immer seltsamer und ihre Freunde, tja, da gibt es nicht viele. Sie steckt in einer Sinnkrise, und zu allem Überfluss konfrontiert ihr Sohn Rafi sie mit der Nachricht, dass er und sein Freund zusammen mit einem lesbischen Pärchen ein Kind bekommen möchten. Ihre Tochter Ella wiederum wirkt so diszipliniert und nur auf ihr berufliches Fortkommen fixiert, geradezu unheimlich …

Sarah Schmidts Roman »Eine Tonne für Frau Scholz« erzählt von einer Freundschaft zwischen den Generationen und von einer Familie, die aus den Fugen gerät. Ihre lebensnahen Schilderungen und Dialoge sind – wie immer – voller Komik und doch ganz ernst.