Archiv des Autors: Kristina Wengorz

Buchmessen-Nachlese

Die Frankfurter Buchmesse war in diesem Jahr ganz anders – schön und erschreckend zugleich –, weshalb es erstmals einen kleinen Nach-Messe-Bericht gibt:

Lesungsankündigung im Odradek in Chemnitz

Erst einmal das Schönste: Die Lektorin hatte die angenehmste Reisebegleitung und die besten Gastgeber, die man sich denken kann. Schön, wenn Autorinnen und Autoren sie auch nach der gemeinsamen Zusammenarbeit noch mögen … Danke, liebe Manja, lieber Markus, für alles!

Auf dem Hinweg gab es dann auch einen kurzen Zwischenstopp für die Lesung von Manja Präkels aus „Als ich mit Hitler Schnapskirschen aß“ in Chemnitz. (Mit dem Buch hat die Lektorin übrigens nur ganz am Rande was zu tun, sie kann es also allen guten Gewissens sehr ans Herz legen.)

Ebenfalls wundervoll waren die beiden in Zusammenarbeit mit dem Verbrecher Verlag gestalteten Lesungsabende im Knobbe (SIKS e. V.) – es ist unendlich traurig, dass es diesen Ort im nächsten Jahr nicht mehr geben wird …

Die Bücher, die die Lektorin betreut hat, fanden sich in diesem Jahr verteilt auf verschiedene Stände in Halle 4.1. Sie gleichsam in mehreren kleinen – oder größeren – Rudeln in „freier Wildbahn“ anzutreffen, war etwas ganz Besonderes.

In der Galerie hat sie die Sichtungen dokumentiert:

Überhaupt nicht schön: Die Präsenz der rechten Verlage auf der Messe und deren sehr gezielte Provokationen. Sollte die Buchmesse sich entscheiden, ihnen im nächsten Jahr erneut eine solche Bühne zu bieten, wird sich jede*r (Verlage, Bloger*innen, Besucher*innen) von uns überlegen müssen, wie sie*er damit umgeht/umgehen kann/umgehen sollte.

So lange bleibt: #gegenrechts! Am besten gemeinsam!

Catherine Millet, Traumhafte Kindheit

Und noch einen dritten Titel aus dem Herbstprogramm des Secession Verlags hat die Lektorin Korrektur gelesen. Er ist ebenfalls zum Frankreich-Schwerpunkt der Frankfurter Buchmesse erschienen. Es war der Lektorin eine besondere Freude, die bekannte Autorin während der Messe kennenzulernen:

Catherine Millet
Traumhafte Kindheit
(OT: Une enfance de rêve)
aus dem Französischen von Paul Sourzac
Roman
gebunden ohne Schutzumschlag
240 Seiten; 22,00 €
ISBN 978-3-906910-12-3

Nach den Welterfolgen »Das sexuelle Leben der Catherine M.« und »Eifersucht« rekapituliert Catherine Millet in ihrem neuen Roman ihre Kindheit und setzt mit schonungsloser Offenheit das Schreiben über das eigene Leben fort. Aufgewachsen ist sie in den 50er- und 60er-Jahren des vorigen Jahrhunderts in äußerst beengten Verhältnissen in einem Pariser Vorort. In ihrer Familie regieren Streit und verbale Entgleisungen. So lernt sie früh, das Erlebte aus großer Distanz zu betrachten und dem Betrachteten im Erzählen eine neue Form zu geben. Mit der Präzision einer Forscherin nimmt sie ihr Umfeld in den Blick und macht auch bei ihrer eigenen Person keine Ausnahme. Catherine Millet schreibt von der Einsamkeit, dem Glauben, der kindlichen Ratlosigkeit, von diffusen Schuld- und Schamgefühlen, von Ängsten und dem Ringen, diese zu überwinden.

»Traumhafte Kindheit« ist ein intimer Reifungsbericht, der die Entwicklung der Wahrnehmung, der Gefühle und des Bewusstseins in ihrer ganzen Komplexität ergründet und die Herausbildung einer Persönlichkeit anhand packend erzählter Episoden reflektiert.

Catherine Millet (geb. 1948 in Bois-Colombes) ist Gründerin und Chefredakteurin der Kunstzeitschrift artpress. Sie ist Autorin zahlreicher Werke zur Kunstwissenschaft und gilt als herausragende Expertin für moderne Kunst. Ihr Buch »Das sexuelle Leben der Catherine M.« wurde in 33 Sprachen übersetzt und erreichte Millionenauflagen. Zuletzt erschien ihr autobiografischer Roman »Eifersucht«. Sie lebt in Paris.

Michael Stauffer, Jeden Tag das Universum begrüßen

Diesen Titel aus dem Verlag Voland & Quist durfte die Lektorin Korrektur lesen:

Michael Stauffer
Jeden Tag das Universum begrüßen
gebunden
368 Seiten, 22,00 €
978-3-863911-86-7

»Wenn ein Buch kein Rätsel bleibt, ist es kein Buch. Schreiben ist wie den nächtlichen Sternenhimmel anschauen. Da kann man auch nichts planen. Da kann man nur staunen. Schreiben ist die Zusammenfassung von Zukunft und Vergangenheit. Ein Buch wird zur Ver­fügung gestellt, damit andere damit weiterarbeiten. So profitieren alle. Der Leser selbst, weil er sich mal lachend, mal schnaubend, mal zustimmend, mal schimpfend durch den Text bewegt. Der Autor, der mit dem Verkaufserlös ein Haus aus Schokolade bauen, sich langsam hindurchfressen und dann die Versicherung anrufen und sagen kann: Es waren die Termiten!«

Michael Stauffer, geboren 1972 in Winterthur (CH), schreibt Prosa, Theaterstücke, Lyrik und macht Hörspiele fürs Radio und Spoken-Word-Performances. Er unterrichtet am Schweizerischen Literaturinstitut der Hochschule der Künste Bern. Für sein Werk wurde er vielfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Open-Mike-Preis der Literaturwerkstatt Berlin, dem Förderpreis Komische Literatur zum Kasseler Literaturpreis für grotesken Humor und dem Literaturpreis des Kanton Bern. Zuletzt erschien sein Roman »Pilgerreise«. »Dichterstauffer« lebt und arbeitet in der Schweiz und Europa.

J. J. Voskuil, Das Büro 7

Ein bisschen traurig ist die Lektorin schon, dass das Riesenprojekt „Das Büro“ nun fertig ist – aber auch ziemlich stolz!
Sieben Bände sind’s, viel Freude hat die Arbeit mit dem Übersetzer Gerd Busse und dem Co-Lektor Ulrich Faure gemacht, aber jetzt ist es vorbei und jeder, der gewartet hat, bis es alle Bände gibt, kann nun endlich anfangen zu lesen …

J. J. Voskuil
Das Büro 7: Der Tod des Maarten Koning
Aus dem Niederländischen von Gerd Busse
Roman, Leinen mit Leseband, 256 Seiten
Preis: 24,00 €
ISBN: 9-783-95732-012-4

Die Jahre 1987 bis 1989. Maarten Koning ist in Frührente und versucht, seine Tage mit kleinen Arbeiten im Haus, ausgedehnten Spaziergängen mit seiner Frau Nicolien und Fahrradtouren durch die Weiten der niederländischen Landschaft zu füllen.

Das Büro lässt ihn trotzdem nicht los: Vor seiner Pensionierung hatte er darum gebeten, noch eine Weile den Schreibtisch im Dachkämmerchen benutzen zu dürfen – um Projekte abzuschließen, wie er den Kollegen erzählt, in Wahrheit jedoch eher, um den Entzug von Wichtelmännchen und Mittwinterhörnern etwas weniger kalt zu halten. Doch die Atmosphäre im Büro hat sich nach dem Weggang Maartens geändert. Unbehagen beschleicht ihn, als er mit ansehen muss, wie ein neuer Abteilungsleiter das zerstört, was er aufgebaut hat. Die meisten seiner ehemaligen Mitarbeiter folgen klaglos, wenn nicht gar begeistert, dem neuen Kurs. Maarten spürt eine zunehmende Feindseligkeit seiner ehemaligen Abteilung ihm gegenüber. Als er eines Morgens erscheint, um sich an seinen Schreibtisch zu setzen, muss er eine erschütternde Entdeckung machen.

Johannes Jacobus Voskuil, geboren 1926 in Den Haag, war ein niederländischer Volkskundler. Bereits 1963 veröffentlichte er seinen ersten Roman, doch zur Berühmtheit der niederländischen Literatur wurde er erst mit dem Romanwerk „Das Büro“, dessen erster Teil 1996 und dessen letzter 2000 erschien. Er wurde 1997 mit dem Ferdinand Bordewijk Prijs und 1998 mit dem Libris Prize ausgezeichnet. 2008 starb Voskuil in Amsterdam.