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Petre M. Andreevski, Quecke und Johannes V. Jensen, Himmerlandsvolk

Die beiden Titel des Herbstprogramms des Guggolz Verlags, die die Lektorin Korrektur gelesen hat, sind da! Ganz besonders freut sie sich über den wunderbaren Roman »Quecke«.

Petre M. Andreevski
Quecke
OT: Pirej (1980)
Aus dem Mazedonischen von Benjamin Langer
Mit Nachworten von Benjamin Langer und Goce Smilevski
Illustration von Valeria Gordeew
445 Seiten, € 24
Gebunden, fadengeheftet und mit Lesebändchen
ISBN 978-3-945370-13-1

Jon und Velika, ein Ehepaar aus einem kleinen Dorf in den Bergen, werden von den Umbrüchen der mazedonischen Geschichte erfasst. Es ist die Zeit der Balkankriege, des Ersten Weltkriegs und der Jahre nach diesen einschneidenden Erfahrungen. Jon und Velika erzählen  abwechselnd Kapiteln von ihrem Leben – und zeigen, wie sie zwischen politischen Verwerfungen, Besitzansprüchen und Auseinandersetzungen fast zerrieben werden.

»Quecke« ist eine Erzählung von tragischem Ausmaß, in ihr nimmt der unablässige Kampf ums Überleben eine eigenartige Schönheit an. Es sind nicht nur die immer neu geschöpfte Hoffnung, die Widerstandskraft und die Fähigkeit, Schläge hinzunehmen und wieder aufzustehen – es ist auch die Schönheit der Einfachheit, der Landschaft, des täglichen Schuftens, die berührt und fasziniert. Andreevski hat in seinem ganz eigenen suggestiven Erzählton, nahe an mündlicher Rede, mit Jon und Velika Figuren geschaffen, die wie die Quecke für das mazedonische Volk stehen und eine tiefe Wahrheit vermitteln. »Quecke« lässt uns Leser viel über die Geschichte Mazedoniens erfahren und auch, dass es etwas gibt, das weit stärker ist als politische Interessen und nationalistische Kleinheit: die Liebe zu den Seinen und die unbändige Sehnsucht nach einem friedlichen Leben. Petre M. Andreevski hat mit »Quecke« den großen Roman über das Mazedonien zu Beginn des 20. Jahrhunderts geschrieben, in seiner Heimat ist er längst ein Klassiker und Schullektüre.

Petre M. Andreevski (1934–2006) wurde im Dorf Sloeštica in der Region Demir Hisar im südwestlichen Mazedonien geboren. Nachdem er die dortige ländliche Volksschule besucht und später im nahe gelegenen Bitola an einer pädagogischen Mittelschule seinen Abschluss gemacht hatte, arbeitete er für kurze Zeit in den Dörfern seiner Heimatregion als Lehrer. Danach begann er in Skopje südslawische Philologie zu studieren und wandte sich schließlich dem Journalismus zu. Er arbeitete als Redakteur für das Mazedonische Fernsehen, war dort verantwortlich für Film und Volksmusik, später arbeitete er auch für das Literaturmagazin Razgledi. Nachdem er sich ab den Sechzigerjahren zuerst als Lyriker einen Namen gemacht hatte, veröffentlichte er 1980 mit »Quecke« seinen ersten Roman, der zu einem der bis heute meistgelesenen Bücher Mazedoniens wurde. Neben seiner vielfach ausgezeichneten Lyrik und Romanen schrieb Andreevski auch Theaterstücke und Kurzprosa sowie Kinderbücher. Er war Mitglied des mazedonischen Schriftstellerverbands, des mazedonischen P.E.N. und der mazedonischen Akademie für Kunst und Wissenschaft. 2006 starb Andreevski in Skopje, beerdigt wurde er jedoch in seinem Geburtsort Sloeštica.

Johannes V. Jensen
Himmerlandsvolk
OT: Himmerlandsfolk (1898)
Aus dem Dänischen von Ulrich Sonnenberg
Mit einem Nachwort von Carsten Jensen
181 Seiten, € 20
Gebunden, fadengeheftet und mit Lesebändchen
ISBN 978-3-945370-12-4

Johannes V. Jensen erzählt in seinen Geschichten aus Himmerland von einer untergegangenen Welt. In zwölf Erzählungen nimmt er einzelne Protagonisten einer vorindustriellen bäuerlichen Dorfgesellschaft in den Blick. Jensen beschreibt die archaischen Verhältnisse und Lebensbedingungen seiner Figuren mit feiner Zartheit und berührender Einfühlsamkeit: Wir lernen Landsknechte, Mägde, Hoferben, den Tierarzt und den Schmied kennen, erfahren, was am Neujahrsmorgen im Dorf passiert und was es mit Thomas vom Brückenhof auf sich hat. Die Welt, die Jensen vor unseren Augen auferstehen lässt, ist die seiner eigenen Kindheit. Er porträtiert seine Heimatregion ohne Groll, ohne Verklärung – einzig, um sie in der Literatur festzuhalten und unsterblich zu machen.

Die dörflichen Geschichten und Lebensbilder sind mit scharf umreißenden Sätzen und präzisen Attributen beschrieben; als Erzähler ist Jensen ganz bei seinen Figuren, lauscht ihnen ihre Wahrheit ab. Sie sind tragische Gestalten, erdulden ihre täglichen Mühen, und nehmen es doch mit bissigem Humor, erkennen auch die Komik in ihrem Treiben. Ulrich Sonnenberg hat in der deutschen Übersetzung für die mehr als 100 Jahre alten Prosabilder eine Sprache gefunden, die uns heutige Leser direkt auf diese Himmerländer Menschen blicken lässt, als würden wir ihnen gegenüberstehen. Sie bilden einen Chor, eine Art menschliches Grundrauschen, in dem Johannes V. Jensen jeden einzelnen auf seine ganz eigene Weise zum Leuchten bringt.

Johannes V. Jensen (1873–1950) wurde im Dorf Farsø im jütländischen Himmerland geboren. Er stammte aus einer alteingesessenen himmerländischen Weberfamilie mit neun Geschwistern. Schon als Junge verfiel er dem Lesen und den Büchern, weshalb ihn der Vater aufs Gymnasium nach Viborg schickte. Zum Medizinstudium ging Johannes V. Jensen nach Kopenhagen, er brach es jedoch ab und schrieb Abenteuer- und Unterhaltungsromane für Illustrierte. 1898 veröffentlichte Jensen unter dem Titel »Himmerlandsvolk« einen Erzählungsband, den er später als sein Erstlingswerk bezeichnete. Mit ihm gelang ihm der Durchbruch als Schriftsteller. Johannes V. Jensen schuf ein umfangreiches und auch sehr abwechslungsreiches Werk, besonders wichtig der historische Roman »Des Königs Fall« (1900) und das sechsbändige Werk »Die lange Reise« (1908–1922) über die Frühgeschichte der Menschheit. Von den Geschichten aus Himmerland veröffentlichte Jensen noch zwei weitere Bände, 1904 »Neue Himmerlandsgeschichten« und 1910 »Himmerlandsgeschichten, dritter Teil«. Jensen, der 1944 als Krönung seines Werks mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet wurde, starb 1950.

J. J. Voskuil, Das Büro 6

Die bereits erschienenen Bände von „Das Büro“

 

Endlich, endlich! Von der Lektorin mindestens ebenso heiß ersehnt wie von den Süchtigen: Band 6 des großartigen Romanzyklus „Das Büro“ ist da!

 

 

 

Ebenfalls sehnsüchtig erwartet – das Belegexemplar.

J. J. Voskuil
Das Büro 6. Abgang
Aus dem Niederländischen übersetzt von Gerd Busse
Roman, Leinen mit Leseband, 752 Seiten
Preis: 34,00 €
ISBN: 978-3-95732-011-7

Die Jahre 1982 bis 1987 sind Jahre des Abschieds. Kaum ist der Tod von Nicoliens Mutter verwunden, stirbt Maartens Lehrmeister Beerta einsam in seinem Pflegeheim. Und schließlich müssen sich Maarten und Nicolien auch noch von ihrem alten Freund Frans Veen verabschieden, den eine Krebserkrankung das Leben kostet. Abschied nehmen heißt es auch für Direktor Balk, allerdings nicht vom Leben, sondern »nur« von der Arbeit. Nach vielen aufreibenden Jahren an der Spitze des Amsterdamer Volkskundeinstituts beschließt er, sich auf’s Altenteil zurück zuziehen, und überträgt seinem Stellvertreter Maarten Koning die kommissarische Leitung der Anstalt.

Bei Licht betrachtet wäre Maarten die ideale Besetzung für den vakanten Direktorenposten, doch das Büro wäre nicht das Büro, wenn es diesem glücklichen Wink des Schicksals widerstandslos folgen würde. Kaum ist die Nachricht vom Rückzug Balks durchgesickert, setzt ein reges Treiben unter den Abteilungsleitern ein, um den eigenen Mann – oder sich selbst – für die Nachfolge in Stellung zu bringen. Einigkeit herrscht nur in einem Punkt: Es gilt um jeden Preis zu verhindern, dass Maarten Direktor wird! Dazu bedient man sich der nur allzu bereitwilligen Mithilfe des Kollegen vom Mittelalterlichen Quellenbuch. Doch als man bemerkt, dass dieser seine ganz eigenen Pläne verfolgt, ist es bereits zu spät …

Schließlich ist es auch für Maarten an der Zeit, sich zur Ruhe zu setzen. Nach dreißig langen Jahren als wissenschaftlicher Beamter im Dienste der niederländischen Volkskultur und auf der Höhe seines Ruhms als international ausgewiesene Kapazität auf dem Gebiet der Dreschflegelforschung hält er nun die Zeit für gekommen, dem Büro Lebewohl zu sagen. Doch das Büro wäre auch hier nicht das Büro, wenn es Maarten einen ruhigen, besinnlichen Lebensabend gönnen würde und die Geschichte damit zu Ende wäre.

Der siebenbändige Romanzyklus »Das Büro« (»Het Bureau«) war in den Niederlanden mit über 400.000 verkauften Exemplaren ein Riesenerfolg. Er wurde bei einer Internetabstimmung auf Platz 7 der wichtigsten niederländischen Romane aller Zeiten gewählt! Am Erstverkaufstag der Bände standen in Amsterdam Schlangen vor den Buchläden, auch hierzulande hat sich eine stetig wachsende Fangemeinde gebildet.

Johannes Jacobus Voskuil, geboren 1926 in Den Haag, war ein niederländischer Volkskundler. Bereits 1963 veröffentlichte er seinen ersten Roman, doch zur Berühmtheit der niederländischen Literatur wurde er erst mit dem Romanwerk „Das Büro“, dessen erster Teil 1996 und dessen letzter 2000 erschien. Er wurde 1997 mit dem Ferdinand Bordewijk Prijs und 1998 mit dem Libris Prize ausgezeichnet. 2008 starb Voskuil in Amsterdam.

Vier Jahre Lektorat Wengorz

Wenn das kein Grund zum Feiern ist!

Und im letzten Jahr hat sich einiges getan: Die Lektorin hat viele schöne Bücher gemacht und konnte neue Auftraggeber hinzugewinnen. Zu nennen sind da unter anderem der Guggolz Verlag, den sie seit dem aktuellen Frühjahrsprogramm im Korrektorat betreut, der Verlag Voland & Quist, für den sie gerade ein erstes Lektorat macht, oder die Agenturen Rotkel Textwerkstatt und Torat, für die sie in erster Linie Korrektorate übernimmt. Daneben standen auch im letzten Jahr wieder Einzelaufträge für Privatkunden und Firmen. Bei allen neuen Auftraggebern möchte sich die Lektorin für das ihr entgegengebrachte Vertrauen bedanken.

Ein ganz besonderer Dank geht an den Verbrecher Verlag, für den sie auch im vergangenen Jahr wunderschöne Bücher lektorieren durfte und ohne den sie nicht so weit gekommen wäre.

Und dann hebt die Lektorin das Glas auf alle jene, die sie in ihrer Arbeit unterstützen und ihr das auch regelmäßig zeigen: Danke schön!

Oleg Jurjew, Unbekannte Briefe

Die Lektorin ist sehr stolz, dass sie dieses wunderschöne Buch bearbeiten durfte:

Oleg Jurjew Unbekannte Briefe__CoverOleg Jurjew
Unbekannte Briefe
Hardcover, 194 Seiten
Preis: 22,00 €
Verbrecher Verlag
ISBN: 978-3-95732-233-3

»Lieber Kornei Iwanowitsch, nun berichtet die Prawda, dass auch Sie gestorben sind. Das erlaubt mir, in kameradschaftlicherer Weise mit Ihnen zu sprechen – ab und an glaube ich, auch ich sei gestorben.«

Dies schreibt der Schriftsteller Dobytschin an den allseits bewunderten Literaturkritiker, Übersetzer und Kinderbuchautor Tschukowski. Er schreibt dies Jahre nach seinem eigenen vermeintlichen Tod.

Auf verschlungenen Wegen sollen drei Briefe in die Hände Oleg Jurjews gelangt sein: So schreibt nicht nur Dobytschin an Tschukowski und erklärt in dem nie abgeschickten Brief sein Verschwinden und kommentiert das Zeitgeschehen – auch über den Tod des Adressaten hinaus. Auch der kleine Moskauer Literat Iwan Pryschow schreibt einen Brief. Er wendet sich an Fjodor Dostojewski, dem er als Vorbild für eine Figur in »Die Dämonen« diente. Mit diesem Bild ist der alkoholkranke Pryschow ganz und gar nicht einverstanden und hält sich auch mit antisemitischen Invektiven gegen Dostojewski nicht zurück. Dann wieder sucht er dessen Verständnis und verweist auf die gemeinsame Kindheit. Der dritte Brief stammt von Jakob Michael Reinhold Lenz. Krank meldet er sich bei seinem Gönner Karamsin – wahrscheinlich am Tag seines Todes. Verwirrt wendet sich Lenz plötzlich an seinen Freund Goethe, an seinen Vater, dann wieder erneut an Karamsin …

Zusammen ergeben die Briefe einen Roman über Tod und Unsterblichkeit. Zugleich ist dieses Buch eine Hommage an die Jahrhunderte des Briefeschreibens. Der Auffinder der Poststücke, der bekannte russisch-deutsche Autor Oleg Jurjew, der die Briefe nur übersetzt haben will, ist selbstverständlich ihr Verfasser. »Unbekannte Briefe« ist Jurjews erster auf Deutsch verfasster Roman.

Oleg Jurjew, geboren 1959 in Leningrad, lebt seit 1991 mit seiner Frau, der Autorin Olga Martynova, in Frankfurt am Main. Er ist Lyriker, Romancier, Dramatiker, Essayist und Ubersetzer. Er veröffentlichte in deutscher Übersetzung die Romane »Frankfurter Stier« (2001), »Spazier gänge unter dem Hohlmond« (2002), »Der neue Golem oder Der Krieg der Kinder und Greise« (2003) und »Die russische Fracht« (2009), zuletzt erschienen eine Neuausgabe seines Romans »Halbinsel Judatin« sowie das Poem »Von Zeiten«.