Handliche Bibliothek der Romantik

Die »Handliche Bibliothek der Romantik« erscheint im Secession Verlag Berlin, und die Lektorin übernimmt gemeinsam mit Joachim von Zepelin die Redaktion der insgesamt fünfzehn wunderschön gestalteten Einzelbände. Jetzt sind die ersten drei erschienen!

Belegexemplare Handliche Bibliothek der Romantik, Tiere, Gespenster, Hans Christian Andersen O. T., Redaktion, LektoratRomantik ist weit mehr als man vermutet, mehr als mondbeschienene Waldesnächte, sehnsüchtige Liebesgesänge und harmonisches Brunnenrauschen. Die Autorinnen und Autoren dieser Epoche erzählen ebenso von gefahrvollen Finsternissen, inneren Abgründen und schrillen Misstönen. Und sie berichten davon, wie diese beiden scheinbar einander entgegengesetzten Welten beständig ineinander übergehen. Romantische Literatur setzt unablässig feste Unterscheidungen und Konventionen aufs Spiel. Genau darin ist sie alles andere als eine vergangene oder gar verstaubte Bewegung. In ihrer Grenzen sprengenden Energie ist sie bis heute gegenwärtig: Sie vermischt Inneres und Äußeres, lässt Realität und Fantasie ununterscheidbar werden, überblendet Natur und Kultur.

Die Reihe wird herausgegeben von Roland Borgards, Mareike Hennig, Christiane Holm, Harald Neumeyer, Günter Oesterle und Dagmar von Wietersheim.

Band 1: Gespenster

Herausgegeben von Harald Neumeyer
240 Seiten mit Abbildung: 24 €
ISBN 978-3-96639-000-2

Die Aufklärung ist den Gespenstern zu Leibe gerückt. Als trügerische Bilder und irrige Vorstellungen einer von der Vernunft losgelösten Einbildungskraft wurden sie aus der Lebenswelt verbannt und in das Reich des Aberglaubens verwiesen. Die Romantik holt sie zurück und lässt sie durch ebenso spannende wie geheimnisvolle Geschichten spuken bei Friedrich de la Motte-Fouqué (»Die Köhlerfamilie«), Ludwig Tieck (»Die Klausenburg«), Wilhelm Hauff (»Die Geschichte vom Gespensterschiff«), E. T. A. Hoffmann (»Ein Fragment aus dem Leben dreier Freude«, »Eine Spukgeschichte«) oder Heinrich von Kleist (»Das Bettelweib von Locarno«). Das aufgeklärt-romantische Gespenst hinterfragt den Wahrheitsgehalt unserer Wahrnehmungsformen, es fordert eine Diskussion über Mechanismen und Prinzipien rationaler Welterschließung heraus, es lauert am liebsten im Grenzgebiet zwischen Realität und Fantasie und spiegelt seelische Zustände und Prozesse. Doch nach seiner Vertreibung aus der Wirklichkeit kann es seine hergebrachte Kernkompetenz noch viel durchdringender ausspielen: die Lust am Gruseln wecken.

Harald Neumeyer ist Professor für Neuere deutsche Literatur mit kulturwissenschaftlichem Schwerpunkt an der Universität Erlangen-Nürnberg und Mitherausgeber des E. T. A.-Hoffmann-Jahrbuchs.

Band 2: Tiere

Herausgegeben von Roland Borgards
240 Seiten mit zahlreichen Abbildung; 24 €
ISBN 978-3-96639-001-9

Romantische Texte beherbergen ein ganzes Bestiarium so alltäglicher wie absonderlicher Tiere: vom Floh, der zu einem Baron mutiert (Clemens Brentano), über den Hund, der ein Verbrechen aufklärt (Johann Peter Hebel), bis zum Affen, der eine ganze Kleinstadt durcheinanderwirbelt (Wilhelm Hauff). Ein Vogel, der nicht nur singen, sondern auch sprechen kann (Hans Christian Andersen), findet sich hier genauso wie ein Kater, der einen Mörder bis in seine schlaflosen Nächte verfolgt (Edgar Allen Poe). Heinrich Heine hat das, in einer Mischung aus Bewunderung und Entsetzen, den »blühenden Nachtigallen-Wahnsinn« der Romantik genannt. Und in der Tat wirken die Tiere der Romantik oft fantastisch oder grotesk. Doch durch diese vielgestaltige Fauna hindurch zielen die Romantiker auf zentrale Fragen ihrer Zeit: auf die Stellung des Menschen in der Welt, auf die gewaltdurchtränkte Kehrseite aufgeklärter Kultur und nicht zuletzt auf die Möglichkeiten der Literatur selbst.

Roland Borgards ist Professor für Neuere deutsche Literatur an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main. Er gibt unter anderem die Buchreihe »Cultural Animal Studies« heraus und hat gemeinsam mit Esther Köhring und Alexander Kling die »Texte zur Tiertheorie« vorgelegt.

Band 3: Hans Christian Andersen: O. T.

Herausgegeben von Heinrich Detering
448 Seiten mit 17 Scherenschnitten des Autors; 26 €
ISBN 978-3-96639-002-6

Diese packende und immer wieder ergreifende Geschichte eines von Geburt an Stigmatisierten ist zugleich die Geschichte eines Zeitalters: Nicht nur zwischen aufgeklärter Weltläufigkeit und feindseligem Nationalismus fühlt sich der Held hin- und hergerissen, sondern auch zwischen den Klassen und erst recht zwischen den Geschlechtern. So erzählt diese Geschichte – die hier in der schönsten und wirkungsmächtigsten deutschen Übersetzung von Heinrich Denhardt vorgelegt wird – auch vom Ende romantischer Leidenschaften und Lebensentwürfe und vom desillusionierten Erwachen in einer neuen, »realistischen« Zeit. Sie lässt verstehen, warum Hans Christian Andersen ein Lieblingsautor so unterschiedlicher Schriftsteller wie Oscar Wilde, Nabokov und Thomas Mann geworden ist.

Heinrich Detering ist Professor für Neuere deutsche Literatur und Vergleichende Literaturwissenschaft an der Universität Göttingen. Er ist daneben auch als Literaturkritiker und Übersetzer tätig und publiziert eigene Gedichte.