Archiv des Autors: Kristina Wengorz

Lulu Miller, Warum es keine Fische gibt

Selten hatte die Lektorin bei einem Korrektorat so viel Redebedarf – weil das Buch einfach fantastisch ist! Ein Sachbuch, das sich wie ein spannender Roman liest.

Foto des Buches, auf dessen blauem Cover ein gezeichnetes Glas zu sehen ist, in dem grüne, blaue und schwarze Fische schwimmen sowie eine menschliche schwarze Figur aufrecht treibt. Das Buch liegt auf hellem Hintergrund, um es herum zwei verschiedene Sorten runder Spielchips, auf denen jeweils ein Fisch zu sehen ist.

Lulu Miller
Warum es keine Fische gibt
Eine Geschichte von Verlust, Liebe und der verborgenen Ordnung des Lebens
Aus dem Englischen von Sabine Wolf
Sachbuch
Kommode Verlag
Hardcover
296 Seiten, 26 €
ISBN: 978-3-905574-19-7

David Starr Jordan war Professor für Taxonomie, besessen davon, Ordnung in die Welt zu bringen. Im Laufe der Zeit wurde ihm die Entdeckung und Benennung von fast einem Fünftel aller Fische zugeschrieben, die den Menschen dieser Zeit bekannt waren. Doch je mehr Elemente des verborgenen Bauplans des Lebens er entdeckte, desto mehr schien das Universum ihn daran hindern zu wollen. Seine Sammlungen wurden durch Blitzschlag, Feuer und schließlich 1906 durch das Erdbeben in San Francisco zerstört, bei dem mehr als tausend in zerbrechlichen Gläsern aufbewahrte Funde zu Boden stürzten. Innerhalb eines Augenblicks war sein gesamtes Lebenswerk zerstört.
Viele hätten in diesem Moment vielleicht aufgegeben und wären verzweifelt. Aber nicht Jordan. Er betrachtete die Trümmer zu seinen Füßen, fand den ersten Fisch, den er benennen konnte, und begann zuversichtlich, seine Sammlung wiederaufzubauen.

Als die Reporterin Lulu Miller diese Anekdote zum ersten Mal hört, hält sie Jordan für einen Narren – ein abschreckendes Beispiel für Selbstüberschätzung oder Verleugnung. Doch während sie ihr eigenes Leben langsam entwirrt, beginnt sie, sich über ihn Gedanken zu machen. Vielleicht taugt er als Vorbild dafür, wie man weitermacht, wenn alles verloren scheint. Was sie nicht weiß: Alles, was sie über sein Leben herausfinden wird, wird ihr Verständnis von Geschichte, Moral und der Welt unter ihren Füßen tiefgreifend verändern.

Teils Biografie, teils Memoiren, teils wissenschaftliches Abenteuer: »Warum es keine Fische gibt« ist eine wundersame Fabel über das Durchhalten in einer Welt, in der das Chaos immer die Oberhand behalten wird.

Lulu Miller ist die Co-Moderatorin von Radiolab, Mitbegründerin von der Radiosendung Invisibilia (NPR National Public Radio), die Anfang 2015 erstmals ausgestrahlt wurde und »die nicht greifbare Kräfte erforscht, die das menschliche Verhalten prägen – Dinge wie Ideen, Überzeugungen, Annahmen und Emotionen«. Lulu Miller ist Wissenschaftsjournalistin und wurde für ihr Schaffen mit dem Peabody Award ausgezeichnet. Ihre Artikel wurden in The New Yorker, VQR, Orion, Electric Literatur, Catapult und anderen Zeitschriften veröffentlicht.

Was ist Kunst, IRWIN?

Noch bis zum 28. Januar 2024 kann im Dortmunder U die Ausstellung mit Werken der slowenischen Künstlergruppe Irwin besucht werden – bei den deutschen Texte des dazugehörigen Ausstellungskatalogs hat die Lektorin das Lektorat übernommen.

Das Foto zeigt ein Cover des Ausstellungskatalogs »Was ist Kunst, Irwin?«, und zwar die Seite zum Thema Staatskünstler. Darauf ist ein Foto von fünf Männern im Anzug zu sehen, die Tiere bzw. Tierteile tragen. Rings um das Buch liegen auf hellem Hintergrund die schwarze Rückseite der quadratischen Spielsteine aus Qwirkle, ein Stein liegt mit der Motivseite (einem roten Quadrat) nach oben. Die Spielsteine sind eine Anspielung auf das „Schwarze Quadrat“ von Malewitsch, das Irwin mehrfach in ihren Arbeiten aufgreifen.

Was ist Kunst, IRWIN?
HMKV Ausstellungsmagazin 2023/2
Englisch/Deutsch
Verlag Kettler
Softcover
286 Seiten, 18 €
ISBN 3987410876

Die Gruppe Rrose Irwin Sélavy wurde 1983 in Jugoslawien gegründet. Ihre Mitglieder Dušan Mandič, Miran Mohar, Andrej Savski, Roman Uranjek und Borut Vogelnik waren zwischen 22 und 29 Jahre alt und kamen aus der Punk- und Graffiti-Szene Ljubljanas. Zusammen mit der Musikgruppe Laibach, dem Theater der Schwestern Scipio Nasicas und der Designabteilung Neuer Kollektivismus (NK) ist IRWIN bis heute eine der Hauptgruppen des 1984 gegründeten Künstlerkollektivs Neue Slowenische Kunst (NSK).

»Was ist Kunst, IRWIN?« (Kurator*innen: Inke Arns und Thibaut de Ruyter) richtet den Blick auf das slowenische Künstlerkollektiv IRWIN, dessen Gründung sich 2023 zum 40. Mal jährt. Seit 1983 setzt sich IRWIN mit der Kunstgeschichte Osteuropas auseinander, speziell mit dem ambivalenten Erbe der historischen Avantgarde und ihren totalitären Nachfolgern, also mit der Dialektik von Avantgarde und Totalitarismus. Seit den 1990er-Jahren konzentriert sich die Gruppe auf die kritische, ikonoklastische Hinterfragung der Kunstgeschichte des „westlichen Modernismus“. Diesem stellt sie verspielt und abgründig mit der „Retroavantgarde“ einen „östlichen Modernismus“ gegenüber. In den 2000er-Jahren wird der »NSK Staat in der Zeit« relevant: ein Staat ohne Territorium, der jedoch Reisepässe als „confirmation of temporal space“ ausgibt. Während der Ausstellung werben Plakate für touristische Reisen dorthin.

Die Ausstellung besteht aus zwei großen Kapiteln. Das erste Ausstellungskapitel fragt nach dem schwarzen Humor, der in den Arbeiten von IRWIN stets präsent ist. Das zweite Kapitel widmet sich Fragen des Staates – und wie IRWIN damit aktuelle Themen wie z. B. Migration kommentiert.

Zur Ausstellung erschien dieser Ausstellungskatalog mit Essays von Inke Arns und Thibaut de Ruyter. Neben einer umfassenden fotografischen Dokumentation der Ausstellung enthält es auch ein sogenanntes „Quellenbuch“ (Texte: Inke Arns, Lara Both), welches die Bildquellen von IRWINs Arbeiten erstmals systematisch aufschlüsselt und (kunst-)historisch einordnet.

Alle Informationen zur Ausstellung gibt es auf der Website des HMKV (Hartware MedienKunstVerein).

Apokalypse now what?

Für das Zentrum Liberale Moderne hat die Lektorin die Broschüre »Apokalypse now what?« Korrektur gelesen. Sie ist der erste Teil der Publikationsreihe »Narrativ-Check«, die sich mit radikalisierenden Botschaften auseinandersetzt.

Foto von vier aufgefächerten Exemplaren der Broschüre »Apokalypse now what«, die in großen pinken und grünen Buchstaben den Titel zeigt. Zu sehen ist darauf u. a. ein Streichholz, das ein Erdsymbol anzündet. Neben den Broschüren liegt das Korrekturwerkzeug der Lektorin – Rotstift, Bleistift und Radiergummi.

Die Apokalypse ist immer nah. Sie gehört zum menschlichen Miteinander, zur Kultur, zur Politik. Für manche ist sie spirituelle Welterklärung, für andere bloße Unterhaltung und Nervenkitzel und für einige politischer Kampfbegriff.

Vor allem rechtsextreme und verschwörungsideologische Szenen von QAnon bis Reichsbürger nutzen die Vorhersage eines gesellschaftlichen Untergangs als ideologisches Werkzeug.

Apokalypse now what?

Das Zentrum Liberale Moderne ist ein politischer Think Tank und eine Debattenplattform. LibMod steht für die Verteidigung und Erneuerung der liberalen Demokratie, für den Aufbruch in die ökologische Moderne und für eine fundierte Osteuropa-Expertise.

Sonja Weichand, Die Eindringlichkeit der Welt

Das größte Kompliment für die Lektorin ist, wenn ihre Kund*innen wiederkommen. Sie hat sich folglich sehr gefreut, dass sie auch den zweiten Roman von Sonja Weichand lektorieren durfte – es war ihr ein großes Vergnügen.

Foto des Buches, dessen Cover einen Farbverlauf zwigt: von unten nach oben zwischen pink und gelb. Außerdem ragen zwei Hände ins Bild. Es sind die berühmten Hände von Gott und Adam aus dem Bild Michelangelos, aber sie berühren sich – anders als auf dem Bild – nicht, stattdessen trennt der Titel die beiden Hände. Das Buch steht in einem weißen leeren Regal. Links daneben steht eine kleine Holzstatuette, die zwei eng umschlungene Personen zeigt, die sich küssen. Lektorat

Sonja Weichand
Die Eindringlichkeit der Welt
Roman
BOD – Selbstverlag
Paperback
316 Seiten, 15,99 €
ISBN: 978-3-7347-3321-5

Mona weiß nicht, was Berührung ist. Sie lebt nichtsahnend in einer virtuellen Realität ohne haptisches Feedback. In Monas Welt gibt es keine körperliche Nähe, geschweige denn Sex. Als Brandon, ein junger Uni-Absolvent, zu diesem Menschenexperiment stößt, erkennt er dessen Grausamkeit. Doch findet er den Mut, nach dieser Einsicht zu handeln, und ist Mona überhaupt bereit für eine Welt außerhalb der VR? Wie fühlt es sich an, Dinge und Menschen zum ersten Mal zu berühren?

Ein spannungsgeladener Roman rund um die Frage, wer wir wären ohne Berührung und Nähe – aber auch ohne Verletzungen. Würden wir uns am Ende für die Sicherheit einer Welt entscheiden, in der es scheinbar keine negativen Erfahrungen gibt?

Sonja Weichand spielt mit dem Genre der Dystopie, denkt es weiter und entwickelt ganz nebenbei eine feministische Utopie, die gute Laune und sogar Hoffnung für die Zukunft macht.

Sonja Weichand, geboren 1984, studierte an der Universität Würzburg Germanistik und Geschichte. Als Regieassistentin und Regisseurin arbeitete sie sechs Jahre lang an mehreren Theatern. Dann machte sie sich als Autorin selbstständig. In den folgenden Jahren erschienen vier ihrer Theaterstücke im Hofmann-Paul-Verlag und deutschen theater verlag. 2020 folgte ihr Debütroman »schuld bewusstsein«. Heute arbeitet sie als Dozentin für Literarisches Schreiben an der Universität Würzburg. Für »Die Eindringlichkeit der Welt« erhielt sie ein Stipendium des Freistaats Bayern im Rahmen von »Junge Kunst und neue Wege« sowie 2022 ein VG-Wort-Neustart-Stipendium.