Archiv der Kategorie: Allgemeines

Longlist Deutscher Buchpreis 2015

Die Lektorin freut sich unglaublich!Logo_dbp_15_CMYK

Anke Stellings Roman „Bodentiefe Fenster“ steht auf der
Longlist des Deutschen Buchpreises 2015.

Herzliche Glückwünsche an die Autorin – und die Lektorin freut sich schon auf die nächste Zusammenarbeit!

Für die Longlist des hat die Jury aus insgesamt 167 Romanen aus 110 Verlagen (80 aus Deutschland, 15 aus Österreich und 15 aus der Schweiz) 20 KandidatInnen für den „besten deutschsprachigen Roman des Jahres“ 2015 ausgewählt.

Die Jury-Mitglieder sind: Claudia Kramatschek (Sprecherin), Markus Hinterhäuser (Wiener Festwochen), Rolf Keussen (Mayersche Droste, Düsseldorf), Ursula Kloke (Botnanger Buchladen, Stuttgart), Ulrike Sárkány (Norddeutscher Rundfunk), Christopher Schmidt (Süddeutsche Zeitung) und Bettina Schulte (Badische Zeitung).

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Die besten Infos zum Buch (Leseprobe, Hörprobe, Pressestimmen) gibt es beim Verbrecher Verlag.

Über Selbstständigkeit und Textarbeit

Hier erkläre ich, warum ich auf meiner Website auf der Unterseite „Honorar“ keine festen Preisangaben mache und dies in der Regel auch sonst vermeide, wenn ich ein Projekt nicht kenne.

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Als selbstständige Lektorin muss ich bei der Kalkulation meiner Stundensätze und Normseitenpreise auch diejenigen Kosten im Auge haben, die nicht direkt an ein Projekt gebunden sind: Urlaub, Krankheit, Feiertage, Leerlaufzeiten bei schlechter Auftragslage oder wegen Verzögerungen bei Auftraggebern oder weiteren Dienstleistern wie Setzern oder Grafikern, Zeiten und Kosten für Akquise und administrative Aufgaben wie Angebots- oder Rechnungserstellung, Pflege dieser Website, Büroausstattung und -material, Bürokosten, Steuern, Versicherungen …

Ich habe all dies im Blick, kann und will aber dennoch keine Mindest- oder Höchstsätze für den Normseitenpreis nennen. Denn es gilt: Textarbeit ist keine mechanische Tätigkeit.

Je nach Textqualität und Leistungsumfang geht man davon aus, dass ein Lektor/eine Lektorin etwa zehn Normseiten pro Stunde bearbeiten kann, allerdings können es bei anspruchsvolleren Aufgaben, die zum Beispiel umfangreiche Nachrecherchen oder das Umschreiben von ganzen Passagen erfordern, auch mal nur zwei Seiten sein. Manchmal reichen zwei Durchgänge durch einen Text (einfaches Korrektorat bei guter Textqualität inklusive der Einarbeitung der Korrekturen), manchmal sind deutlich mehr notwendig, wenn beispielsweise grundsätzliche Umstrukturierungen des Textes notwendig sind.

Bitte vertrauen Sie hier meiner Erfahrung und lassen Sie mich den Arbeitsaufwand vorher abschätzen – nur so kann ich Ihnen einen angemessenen Preis nennen und gute Arbeit liefern. Die Berechnung nach Normseiten garantiert Ihnen eine transparente Abrechnung, erleichtert die Vergleichbarkeit von Angeboten und ist vor allem bei Projekten, deren endgültiger Umfang bei der Angebotserstellung noch nicht abzuschätzen ist, sinnvoll.

Wenn der Normseitenpreis aber so schlecht einzuschätzen ist, warum gebe ich dann nicht einfach einen festen Stundensatz an?

Weil in jedem Projekt auch die oben genannten Kosten der Selbstständigkeit „versteckt“ sind. Deshalb gilt zum Beispiel: Je umfangreicher ein Projekt ist, desto günstiger wird es in der Regel. Akquise und Administration erfordern dann deutlich weniger Zeit als bei vielen kleinen Aufträgen. Auch die Leerlaufzeiten zwischen den Projekten fallen weg. Ein weiterer Faktor ist der zur Verfügung stehende Zeithorizont. Je weiter dieser ist, desto besser kann ich ein Projekt planen und zum Beispiel kleinere Textarbeiten „dazwischenschieben“, muss keine anderen Aufträge ablehnen und kann so Leerlauf vermeiden. Außerdem muss ich mir keine Nächte oder Wochenenden um die Ohren schlagen, um das Projekt fertigzustellen. Und dann geht es mir wie vielen Selbstständigen: Ich bin an einer stabilen Auftragslage interessiert. Je langfristiger also eine Zusammenarbeit mit mir ist und je mehr Folgeprojekte in Aussicht stehen, desto weniger zeitaufwendige Akquise muss ich betreiben und kann so Phasen mit schlechter Auftragslage reduzieren.

All das berücksichtige ich bei der Erstellung meiner Angebote. Bitte haben Sie also Verständnis dafür, dass ich keine festen Preise nenne.

Das Lesejahr 2013 – Teil V

Bücher, die die Lektorin schon länger lesen wollte

Es gibt immer wieder Bücher, von denen die Lektorin hört, und bei denen sie denkt: Klingt gut, sollte sie mal lesen. Aber in der Menge der Veröffentlichungen und bei der großen Auswahl noch besser klingender Titel – oder weil in dem Regal mit den ungelesenen Büchern noch so viele andere stehen –, gehen sie wieder unter, und es dauert einfach eine Weile (zumindest gefühlt), bis sie diesen Titeln wieder begegnet und sie dann doch liest. Zu diesen Büchern zählen auch die sogenannten Klassiker, die „man“ gelesen haben sollte.

Von Letzteren hat sie im vergangenen Jahr tatsächlich nur eines gelesen: „Die Blechtrommel“ (1959) von Günter Grass. Angesichts der Abneigung der Lektorin gegenüber dem Autor, von dessen Büchern sie bis dato zwar nur „Im Krebsgang“, dafür aber zu viele seiner sonstigen Ergüsse gelesen hatte, hat sie lange einen starken inneren Widerwillen verspürt – auch die Verleihung des Nobelpreises an Grass hatte daran nichts ändern können. Aber kann sie tatsächlich einen, wie es immer wieder so schön heißt, „der wichtigsten Romane der Nachkriegszeit“ ignorieren? Dauerhaft nicht. Und da Buch und Autor ja nicht identisch sind und ihr im vergangenen Jahr mal wieder jemand von dem Buch vorschwärmte, hat sie ihren inneren Unwillen überwunden und … Nun ja. Es wird vermutlich das letzte Buch gewesen sein, das sie von Günter Grass gelesen hat.

2013 hat Sibylle Lewitscharoff den Büchner-Preis erhalten. Eine wunderbare Gelegenheit, endlich ihren bereits 2011 erschienenen und damals auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises stehenden Roman „Blumenberg“ (Suhrkamp) zu lesen. Das Buch über den Philosophen Hans Blumenberg, dem eines Nachts in seinem Arbeitszimmer ein Löwe erscheint, der ihm von nun an ein mehr oder weniger treuer Begleiter sein wird, und in dessen Geschichte das Schicksal von vier seiner Studenten verwoben ist, lohnt die Lektüre allemal.

Kracht_Imperium_CoverChristian Krachts Roman „Imperium“ (Kiepenheuer & Witsch) hat 2012 ganz kurz für Wirbel gesorgt, als dem Buch von einem Rezensenten Rassismus vorgeworfen wurde. Eine Debatte ist angesichts der an den Haaren herbeigezogenen These zum Glück nicht wirklich entstanden. Anfang des 20. Jahrhunderts wandert der Vegetarier und Nudist August Engelhardt in die Südsee aus, wo er auf einer kleinen Insel der Kokosnuss huldigt – zunächst als Wirtschaftsgut, später wahnhaft, sich ausschließlich von ihr ernährt, ihr gar religiöse Bedeutung zumisst – und dennoch Anhänger aus dem Deutschen Reich um sich scharen kann. Kracht erzählt den inneren und äußeren Verfall dieses Menschen in einer Art Robinsonade. Eindrücklich.

Götz_Johann Holtrop_CoverEbenfalls die Geschichte eines Sturzes erzählt Rainald Götz in seinem Roman „Johann Holtrop. Abriss der Gesellschaft“ (Suhrkamp 2012). Der smarte Vorstandsvorsitzende Dr. Johann Holtrop, Herr über 80.000 Mitarbeiter und einen weltweiten Umsatz von 20 Milliarden Euro verliert im Laufe der Nullerjahre die Kontrolle. Gefangen in seiner Egomanie und Weltverachtung beginnt er, Fehler zu machen – und stürzt so tief und schnell, wie er zuvor seinen Aufstieg gemeistert hat: wirtschaftlich, gesellschaftlich und persönlich. Gehört auf jeden Fall zu den Büchern, die man gelesen haben sollte.

Bierbichler_Mittelreich_CoverEin weiteres wunderbares Buch aus dem Hause Suhrkamp ist der Roman „Mittelreich“ (2011) von dem eher als Schauspieler bekannten Josef Bierbichler. Ein Familienroman rund um eine bayerische Seewirtschaft im Laufe des 20. Jahrhunderts – katholische, bayerische Provinz zwischen Weltkriegen und Wirtschaftswunder. Über Träume, die begraben werden müssen, komische Katastrophen und seltsame Gäste. Was für ein toller Erzähler.

Last but not least: Der Roman „Replay“ (C. H. Beck 2012) von Benjamin Stein. Bei Büchern von Autoren, mit denen sie zusammenarbeitet, fehlt der Lektorin zumeist der notwendige Abstand, um ein eindeutiges Urteil abzugeben. Sie liest die Bücher einfach „anders“. Darum nur so viel: Warum der Software-Entwickler Ed Rosen eines Morgens anstelle seines Fußes einen Huf hat, muss man einfach selbst lesen. In Zeiten von Google Glass und weiteren denkbaren technischen Sperenzien sehr hellsichtig und absolut bedenkenswert.

Das Lesejahr 2013 – Teil IV

Internationale Entdeckungen

Es soll ja Menschen geben, die vor allem eine Art von Literatur lesen oder eine Sorte Filme gucken – sich auf ein Land oder eine Zeit spezialisieren, seien es russische Avantgarde, Nouvelle-Vague-Filme oder deutsche Gegenwartsliteratur. Auch die Lektorin hatte solche Phasen. Mal waren es russische Klassiker, dann wieder hatte sie die französischen Existentialisten für sich entdeckt. Wenn sie heute mal über den Tellerrand hinausguckt, dann meist auf Empfehlung wunderbarer Kollegen oder durch Zufall.

Habila_Öl auf Wasser_Cover Das erste Buch, das sie hier nennen möchte, stammt von dem nigerianischen Autor Helon Habila. Die Entdeckung des Buches „Öl auf Wasser“ verdankt die Lektorin dem wunderbaren Manfred Metzner aus dem Verlag Das Wunderhorn. Dieser Krimi um den jungen Journalisten Rufus, der sich im Delta des Niger auf die Suche nach einer verschwundenen Britin, der Ehefrau eines hohen Angestellten einer Ölbohrfima, macht und dabei auf Umweltzerstörung und eskalierende Gewalt mitten in dem politisch zerrissenen Land trifft, stand völlig zu Recht auf gleich mehreren Krimi-Bestenlisten.

Canigüz_Söhne und siechende Seelen_CoverDIE Adresse für türkische Gegenwartsliteratur auf Deutsch ist neuerdings sicherlich der binooki-Verlag. Und die beiden Verlegerinnen Selma Wels und Inci Bürhaniye können so dermaßen von ihren Büchern schwärmen, dass der Lektorin gar nichts anderes übrig blieb, als gleich zwei der wunderschön gestalteten Bücher mitzunehmen und zu lesen. Und, wie war’s? Für das Buch „Söhne und siechende Seelen“ von Alper Canıgüz spricht eigentlich schon der erste Satz: „Mit fünf Jahren befindet sich der Mensch auf der Höhe seiner Reife, danach beginnt er zu faulen.“ Dass ein fünfjähriger hyperintelligenter Ich-Erzähler bisweilen ziemlich anstrengend sein kann, ist klar – wie er sich mit der Welt der Erwachsenen arrangiert und dabei auch noch einen Mord aufklärt, hat aber dennoch hohem Unterhaltungswert. Murat Uyurkulaks Roman „Glut“ ist ein anderes Kaliber. Vom Verlag als „Roman einer Apokalypse“ bezeichnet, versetzt er den Leser in das Land Ominösien, in dem Bürgerkrieg herrscht. Nach dem Tod seines überall beliebten kleinen Bruders wird ersatzweise der Taugenichts Muster von höheren Mächten zum Prophetenkandidaten erkoren. Eine ziemlich wilde und böse Geschichte, bei der sich die Lektorin gewünscht hätte, noch mehr der Andeutungen und Parallelen zur heutigen Türkei zu verstehen.

Ogawa_DasGeheimnisDerEulerischenFormel_CoverDer Liebeskind-Verleger Jürgen Christian Kill drückte der Lektorin nach deren Bekenntnis, dass ihr absolutes Lieblingsbuch des Jahres 2012 Julie Otsukas „Wovon wir träumten“ gewesen sei, das Buch einer anderen Japanerin in die Hand: „Das Geheimnis der Eulerschen Formel“ von Yoko Ogawa. Die Geschichte über die Haushälterin eines alten Mathematikprofessors, dessen Kurzzeitgedächtnis nach einem Unfall nur noch die letzten 80 Minuten speichert, ist bezaubernd, ohne kitschig zu sein. Und Zahlen und Mathematik tun auch nicht weh.

Und weil die Lektorin gerade so schön im Japan-Fieber war, hat sie aus dem Regal mit den vielen ungelesenen Büchern, die auf den verschiedensten Wegen in den Haushalt der Lektorin gelangen, auch gleich noch „Der stumme Schrei“ (1967) des Literaturnobelpreisträgers von 1994, Kenzaburō Ōe, gezogen – in einer Ausgabe von 1994 aus dem Verlag Volk und Welt. Mitsusaburō, Vater eines geistig behinderten Kindes, fährt nach dem Selbstmord eines engen Freundes gemeinsam mit seinem Bruder und seiner Frau in sein Heimatdorf, um dort mehr über seine Herkunft zu erfahren. Dort scheinen sich historische Ereignisse (Bauernaufstand 1860) zu wiederholen. Ein eindringliches Buch, aber anders als die Schilderungen Ogawas bleibt das Gefühlsleben der Protagonisten Ōes der Lektorin fremd.